Archive for März 2012

Wie kann ich ein guter Mensch sein und gleichzeitig Ich sein?
Wie kann ich ein gerechter Mensch sein und gleichzeitig meinen Wünschen Rechnung tragen?
Wie kann ich ein Christ sein und gleichzeitig meinen Zweifeln Gehör schenken?
Das sind Fragen, die ich mir immer mal wieder stelle, über die ich nachdenke. Und die Antworten fallen jedes Mal ein bisschen anders aus. Je nachdem, in welcher Situation ich mich gerade befinde. Und ich denke, dass das nicht nur mir so geht.
Ich habe mir überlegt, wann ich mir diese Fragen stelle und bin zu dem Schluss gekommen, dass es dann ist, wenn irgendetwas anders wird, wenn etwas Neues beginnt oder Dagewesenes verschwindet. Also immer dann, wenn ich mich mit Veränderungen auseinandersetzen muss.
Als ich das für mich herausgefunden hatte, stellte ich fest, dass Stephie und Peter sich in genau einer solchen Situation befinden. Beide sind vor etwa einem halben Jahr neu in unser Dekanat gekommen und befinden sich immer noch in einem Prozess der Eingewöhnung.
Ich weiß nicht, ob sie sich genau diese Fragen stellen, die ich mir in solchen Momenten stelle, aber ähnlich sind sie bestimmt.

Ein guter Mensch, das ist jemand, der sieht, was mit Anderen los ist, was in ihnen vorgeht. Ein guter Mensch steht Anderen bei und unterstützt sie.
Stephie und Peter zeichnen sich meiner Meinung nach dadurch aus, dass sie beide ein Interesse am Menschen haben. Sie gehen mit Offenheit und Herzlichkeit auf Andere zu.
Sie beide haben ihren ganz individuell geprägten Glauben und leben ihn nach ihrer Überzeugung.
Das liefert Reibungspunkte. Das greift die Frage auf, wie ich gleichzeitig auch ich sein kann neben dem Gut-Mensch-Sein. Und ich denke, dass hier die Antwort darin liegt, die Reibungspunkte zuzulassen und sie sogar zu nutzen, sich gegenseitig zu bereichern. Ja, ich glaube sogar, dass ich erst dadurch ein guter Mensch werden kann, wenn ich mich von anderen unterscheide und es zu Reibungen kommt. Das ist nicht immer einfach und manchmal denke ich, dass ich, um ein guter Mensch sein zu können, das Ich-Sein zurückstellen muss. Und dann hilft es mir zu wissen, dass es anderen auch so geht und dass Gott mich auf jeden Fall so annimmt, wie ich bin, mit all meinen guten und schlechten Seiten.
Stephie ist eine äußerst kommunikative Person und es gibt immer irgendetwas, über das man mit ihr reden und diskutieren kann, aber man kann mit ihr eben auch über solche Themen sprechen und es wird schnell klar, dass sie dabei sehr ehrlich ist.
Peter scheint mir dazu eine wunderbare Ergänzung zu sein, denn so wie ich ihn bis jetzt erlebt habe, ist er eine Person, die gut vermitteln kann, zwischen Menschen, ihren Meinungen und Überzeugungen, gerade dann, wenn es unterschiedliche Standpunkte gibt.

Ein gerechter Mensch, das ist jemand, der ein Gefühl dafür hat, was richtig und was falsch ist, was gut und was schlecht ist, um anderen gerecht zu werden.
Die Aufgaben hier im Dekanat erfordern von Stephie und Peter unterschiedliche Qualifikationen und Gaben. Gaben, die es ihnen ermöglichen das zu sein – ein gerechter Mensch.
So versteht sich Stephie hervorragend auf Organisation und Vorbereitung, ob es nun Seminare, Projekte oder einfache Treffen sind. Manchmal merkt man ihr die „Lehrerin“ an, aber auch das ist nichts perse Schlechtes. Im Gegenteil: Dadurch, dass sie darauf schaut, was falsch läuft, kommt es zu Verbesserungen.
Peter hat die Gabe, sich für einzelne Zeit zu nehmen, um sie darin zu unterstützen, ihre eigenen Begabungen zu erkennen und zu fördern. Damit wird er nicht nur zu einem Vorbild für Konfis, sondern auch für Jugendliche über den Konfiunterricht hinaus. Zusätzlich zeichnet ihn aufgrund seines Werdegangs eine ganz bestimmte Lebensweisheit aus, die es ihm ermöglicht Antworten auf Fragen zu haben, die uns beschäftigen.
Aber gibt es nicht auch Wünsche? Wünsche, die dem Gerechten-Mensch-Sein im Weg stehen?
Ja, ich glaube schon. Wir haben bestimmte Vorstellungen und Ideale, nach denen wir leben oder leben wollen und denen manchmal das Gerechte-Mensch-Sein im Weg steht. Ich merke das immer dann, wenn ich das Gefühl habe, etwas nicht zu wollen, was scheinbar aber richtig und gerecht ist. Vielleicht, weil es für mich selbst nachteilig ist?
Und auch hier hilft mir wieder die Gewissheit, dass es anderen ganz ähnlich geht und dass es auch vollkommen natürlich – ja, ich behaupte gottgewollt – ist, die eigenen Wünsche manchmal über das Gemeinwohl oder die Gerechtigkeit zu stellen. Davon ausgehend fällt es mir viel leichter eine Ausgewogenheit zu schaffen und mich mit dem Widerspruch aus Gerechtigkeit und Wunsch zu arrangieren.

Betrachten wir nun den Bibeltext, den Stephie und Peter sich zu ihrer Einführung ausgesucht haben, heißt es da:

»Dient einander,
ein jeder mit der Gabe,
die er empfangen hat.«

So kann ich also sagen: Ein Christ, das ist jemand, der Anderen seine Gaben, die ihm Gott gegeben hat, zur Verfügung stellt, damit die Gemeinschaft daran wachsen kann.
Der Text sagt aber auch, dass wir unterschiedliche Gaben von Gott empfangen haben, weil das die Vorraussetzung dafür ist, dass wir aufeinander angewiesen sind und voneinander lernen können, dass jeder seine eigene Bestimmung und seinen eigenen Platz in der Gemeinschaft hat.
Hier vorne ist inzwischen ein Berg aus Geschenkkartons entstanden. Einige sind beschriftet mit Gaben die ich in Stephie und Peter sehe. Das sind die Gaben, die sie mitbringen und die wir schon kennengelernt haben.
Andere Kartons tragen noch keine Beschriftung, aus dem einfachen Grund, dass wir noch gar nicht alle Gaben kennen, die Stephie und Peter haben.
Für mich ist das kennzeichnend dafür, dass die beiden ihren Platz in unserer Gemeinschaft noch nicht entgültig gefunden haben.
Damit sie ihren Platz finden können, ist aber jeder von uns gefragt. Jeder von uns muss seinen eigenen Platz ein wenig verändern, damit für Stephie und Peter Platz entsteht.
Das kann dann zu Schwierigkeiten führen, wenn der eine oder die andere das Gefühl haben, dass ihnen ihre Plätze streitig gemacht werden. Und an so einem Punkt kann es zu Zweifeln kommen. Wenn Gott mir doch meinen Platz gegeben hat, wieso muss ich ihn dann verändern, nur weil jemand neues dazu kommt?
Die einfache Antwort ist, eben weil jemand neues dazu kommt.
Und so nutzen wir doch einfach unsere Gaben, die Gott uns gegeben hat, um miteinander zu wachsen an Gemeischaft und Erfahrung. Damit lebendig bleibt, was uns so viel Kraft geben kann: Der Geist Gottes in uns.
Amen.

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